Wohnprojekt Augsburg

Preisträger Zukunftspreis 2022

Integration beginnt mit einem Zuhause. Besonders für Menschen, die ihre Heimat verlassen haben und nach Deutschland geflohen sind, ist die eigene Wohnung ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität, der für viele angesichts des angespannten Wohnungsmarktes sowie einer Reihe von bürokratischen und strukturellen Hürden jedoch in weite Ferne rückt. Hier versucht die 2017 begonnene Kooperation der Tür an Tür-Integrationsprojekte gGmbH und des Diakonischen Werkes Augsburg e.V. Abhilfe zu leisten.

Angepasst an die individuellen Bedürfnisse wurde ein mehrstufiges Konzept entwickelt, welches unterschiedliche Beratungs-, Schulungs- und Informationsangebote für Wohnungssuchende, Ehrenamtliche und Vermietende anbietet:

  • Beratung für Wohnungssuchende mit Flucht-/Migrationsgeschichte
  • Mietkurse, Coachings und Workshops zur Wohnungssuche
  • Begleitung und Unterstützung von Ehrenamtlichen
  • Ansprechpartner für Vermietende
  • Bildungs- und Vernetzungsarbeit

Das Projekt setzt dabei auf modulare Angebote, bestehend aus individuellen Klärungs- und Beratungsgesprächen, Gruppenveranstaltungen wie zum Beispiel Mietkurse oder Fortbildungen zu spezifischen Themen wie der Wohnungssuche. Hilfe zur Selbsthilfe lautet das Motto, wobei die Handlungskompetenzen von Geflüchteten gestärkt und ihre individuellen Stärken und Fähigkeiten (wieder)entdeckt und (weiter)entwickelt werden sollen.

Die Kooperation umfasst neben einer Gruppe von ehrenamtlichen Kräften vier hauptamtliche Projektstellen. Zusätzlich zu den hauptamtlichen Angeboten bieten Ehrenamtliche im Rahmen sogenannter Wohnpatenschaften Unterstützung. Dabei begleiten sie die Wohnungssuchenden beispielsweise bei Besichtigungsterminen oder helfen bei Umzügen, um so ein Ankommen im neuen Zuhause zu ermöglichen. Im Jahr 2021 ließen sich so 645 Personen beraten und 32 Wohnungen an Geflüchtete vermitteln. Dies stellt einen bedeutsamen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe dar, da Wohnen nicht nur ein Menschenrecht ist. Wie Personen wohnen und ob sie einen gleichberechtigten Zugang zu Wohnraum haben, sind entscheidende und existenziell maßgebliche Fragen im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe. Vielen Geflüchteten bleibt dieser Zugang jedoch verwehrt, ihnen mangelt es an sozialen Netzwerken sowie teilweise an Wissen, wo und wie sie eine Wohnung suchen und im weiteren Verlauf auch halten können. Das Wohnprojekt beabsichtigt im Rahmen dessen, fehlendes Wissen zielgruppenorientiert und nachhaltig zu vermitteln.

Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine rückt insbesondere auch die Unterstützung von Personen, die Geflüchtete aus der Ukraine privat bei sich aufgenommen oder Wohnraum vermietet haben, in den Fokus der Arbeit. Mit seiner Erfahrung unterstützt das Wohnprojekt als Ansprechpartner für Wohnraumgebende auf beratende Weise. Es ermöglicht Informations- und Austauschtreffen wie zum Beispiel einen monatlichen Stammtisch oder stellt Informationsmaterialien beispielsweise in Form eines FAQ (Frequently Asked Questions, also häufig gestellte Fragen mit den dazugehörigen Antworten) zur Verfügung. Dadurch soll eine nachhaltige und gute Wohnungsvermittlung erzielt werden. Das Projekt setzt sich mit den genannten Angeboten für einen gleichberechtigten und diskriminierungsfreien Zugang zu Wohnraum ein.

Begründung der Jury Zukunftspreis
In Augsburg sehen wir uns (wie auch an vielen anderen Orten in Deutschland) mit der Situation konfrontiert, dass Mieten immer höher und bezahlbarer Wohnraum immer knapper werden. Selbst mit guten Sprachkenntnissen, stabilen Einkommensverhältnissen und ohne die Hürde von herkunftsspezifischer Diskriminierung ist es eine große Herausforderung, hier eine bezahlbare Wohnung zu finden. Für neu zugewanderte oder geflüchtete Menschen verschärft sich diese Situation noch einmal immens. Dabei ist der Zugang zu geeignetem und bezahlbarem Wohnraum nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht – festgehalten etwa im Art. 11 des UN-Sozialpaktes - sondern auch eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Ankommen an einem neuen Ort. „Integration beginnt mit einem Zuhause“, so lautet deshalb der Leitsatz des Wohnprojekts Augsburg, welches sich genau an der Schnittstelle zwischen den Themen Wohnen und Integration für Neuzugewanderte auf der Suche nach einem Zuhause in Augsburg stark macht.

Das Wohnprojekt bietet ganz konkrete Hilfe für von Wohnungsnot betroffene Menschen im Hier und Jetzt und unterstützt sie beim oft langen und herausfordernden Weg zum eigenen Zuhause. Es bietet Ressourcen und Bildungsangebote, sowohl für Wohnungssuchende als auch für Ehrenamtliche, Vermieter*innen und Gastgeber*innen und fördert dadurch das Entstehen eines Netzwerks, das auf Basis von Teilhabe, Hilfe zur Selbsthilfe und Begegnung auf Augenhöhe operiert. Gleichzeitig benennt das Wohnprojekt aber auch immer wieder deutlich, dass das eigentlich zugrundeliegende Problem das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum ist und dass durch Unterstützungs- und Bildungsangebote hinsichtlich der Wohnungssuche zwar mache Hürden leichter zu meistern sind, die politische Aufgabe aber, neuen Wohnraum zu generieren, trotzdem so drängend wie nie ist. Das Wohnprojekt ist damit eine Initiative, die den Zukunftspreis mehr als verdient. Es bietet wertvolle und existenziell notwenige Unterstützung für Menschen im Hier und Jetzt und trägt damit zu einem gerechteren Augsburg bei, in dem jede und jeder Platz findet. Darüber hinaus verweist es auf eine Zukunft, in der das Recht auf bezahlbares Wohnen für alle Wirklichkeit werden muss.

Felicia Reintke, Klimabeirätin

Themen: Asyl, Integration, Migration, Teilhabe, Wohnen