Nachhaltigkeitsbeirat empfiehlt Vorrang für Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr

Außerdem soll die Menge an Biomasse erhoben werden, die benötigt wird und lokal zur Verfügung steht.

Auf seiner letzten Sitzung im Juni hat der Nachhaltigkeitsbeirat sich mit mehreren Empfehlungen beschäftigt. Eine wurde zur weiteren Ausarbeitung zurückgestellt, zwei wurden verabschiedet.

Bei diesen beiden ausgesprochenen Empfehlungen geht es zum einen um schnellere Maßnahmen, um den Fuß-, Rad- und öffentlichen Nahverkehr in Augsburg auszubauen und den motorisierten Individualverkehr zurückzudrängen.

Der Nachhaltigkeitsbeirat empfiehlt, bereits 2024 und 2024 weitreichende Maßnahmen ergreifen, um das Ziel Ö2.2 der Zukunftsleitlinien zu erreichen, den Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichen Nahverkehr als vorrangige Verkehrsträger in Augsburg zu etablieren. Hierzu sollen Sofortmaßnahmen ergriffen werden, auf denen der Augsburger Mobilitätsplan, der derzeit erarbeitet wird, dann aufbauen kann. Ziel ist eine Verlagerung der Hälfte des Verkehrsaufkommens des motorisieren Individualverkehrs auf Rad und ÖPNV bis 2040, wie es die KlimaKom-Studie empfiehlt. Um die Entwicklung zu steuern, sollen Zwischenzielvorgaben für die Jahre 2028 und 2033 formuliert werden. Diese Priorisierung soll sich auch im städtischen Haushalt wiederfinden. Als zeitnahe Maßnahmen empfiehlt der Beirat, in Gebieten mit ausreichender Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr und ausreichendem Angebot an öffentlichem Nahverkehr eine Verkehrsberuhigung sowie eine Reduzierung der Anzahl von Parkplätzen und deren stärkere Bepreisung vorzunehmen.

Die andere Empfehlung nimmt ein eher verborgenes Problem in den Blick: wenn verstärkt Biomasse als Energieträger eingesetzt werden soll, soll diese Biomasse weder in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln erzeugt noch von irgendwoher herangeschafft werden. In der Regel sollte es sich um "Abfallstoffe" aus dem Stadtgebiet oder aus der nahen Region handeln. Um die Situation beurteilen zu können, soll zunächst eine Bestandsaufnahme erstellt werden - wie viel Biomasse wird derzeit und in Zukunft benötigt, wie viel Biomasse fällt lokal bzw. regional an? Denn auch Biomasse ist ein begrenzter Rohstoff.

Beide Empfehlungen finden Sie hier.

100 Sitzungen und noch nicht müde

Kurzer Blick zurück und engagierter Blick nach vorn

Die 100. Sitzung des Nachhaltigkeitsbeirats am 1. Februar 2024 stand ganz im Zeichen der dringend noch zu erledigen Dinge. Denn obwohl der Beirat seit 1997 arbeitet und schon 56 Empfehlungen an Stadtpolitik und Stadtverwaltung ausgesprochen hat, ist noch viel zu tun.

Der Nachhaltigkeitsbeirat ist Teil des 1996 gestarteten Augsburger Nachhaltigkeitsprozesses, dessen Kern aus 31 Agendaforen, dem Nachhaltigkeitsbeirat, den Zukunftsleitlinien, dem städtischen Büro für Nachhaltigkeit, dem Internetportal Lifeguide und dem Augsburger Zukunftspreis besteht. Zur Zeit hat der Nachhaltigkeitsbeirat 23 Mitglieder aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Im Einzelnen sind dies aus der Zivilgesellschaft: Stadtjugendring, Bistum, BUND, Evangelisches Dekanat, Freiwilligenzentrum, Fridays for Future, Gesamtelternbeirat Kitas, Integrationsbeirat, Ständige Konferenz Kultur, Tür an Tür, Werkstatt Solidarische Welt sowie Sprecherinnen und Sprecher der Agendaforen. Aus der Wirtschaft DGB Region Augsburg, Handwerkskammer Schwaben, Kontaktkreis Architekten, KUMAS, Regio Augsburg Wirtschaft, Stadtsparkasse und die Wirtschaftsjunioren Augsburg. Und aus der Wissenschaft: Technische Hochschule, Universität, Universitätsklinikum und bifa Umweltinstitut. Den Vorsitz führen gleichberechtigt der städtische Nachhaltigkeitsreferent Reiner Erben und Prof. Dr. Nadine Warkotsch von der Technischen Hochschule Augsburg.

Das Große im Kleinen bearbeiten

Vorsitzende Nadine Warkotsch eröffnete die Sitzung in Abwesenheit des kurzfristig erkrankten Nachhaltigkeitsreferenten Reiner Erben und nannte es ein großes Glück, dass in Augsburg das Thema Nachhaltigkeit so gewachsen sei, wie es es woanders fast nirgends gäbe. Und dass sie sich sehr freue, als noch junge Aktive im Beirat diesem Gremium jetzt vorzustehen und hier mitarbeiten zu dürfen.

Oberbürgermeisterin Eva Weber bedankte sich bei den Beiratsmitgliedern für ihre Arbeit: das sei gelebte Demokratie, und Kommune sei nun mal Mitmachsache. Der Nachhaltigkeitsbeirat sei mit seinen Empfehlungen Impulsgeber – vom Klima-Bündnis-Beitritt über ÖKOPROFIT bis zu Fairtrade-Stadt und Zero-Waste-Konzept. Vor allem sei er ein wichtiger Denk- und Aushandlungsraum, wo im Dialog neue Erkenntnisse wachsen und eigene Meinungen auch mal verändert werden. Augsburgs Nachhaltigkeitsziele – die Zukunftsleitlinien – seien eine große Errungenschaft; Augsburg werde hier bundesweit von anderen Städten als Vorbild wahrgenommen. Nachhaltigkeit werde uns weiter beschäftigen – es gehe um so vieles, um Querschnittsthemen – genau das sei Kommune und das könne Kommune: das Große im Kleinen bearbeiten.

Kommunen als Vorreiterinnen

Impulsgeber Vincent Gewert vom Ozeanien-Dialog stellte in seiner Präsentation noch mal die planetare Rahmenbedingungen klar: die Klimakrise ist eine existenzielle Krise für die gesamte Menschheit. Sie ist aber nicht die einzige ökologische Krise – der Verlust der Artenvielfalt und die Verschlechterung der Böden (durch chemischen Dünger, Plastik und andere Störstoffe) seien ebenso bedrohlich. Diese ökologischen Krisen seien auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit – sowohl weltweit wie auch in Deutschland leiden die ärmeren Menschen viel stärker als die reicheren. Denn wer wohnt an den lauten, schmutzigen, hitzestauenden Straßen? Die momentanen Verkehrsinfrastrukturen seien global und innerstädtisch ungerecht: am Anfang stünden Menschenrechtsverletzungen beim Abbau der für Mobilität verbrauchten Ressourcen, am Ende Lärm- und Staubverschmutzungen und unfaire Aufteilung der Verkehrsflächen z.B. für’s Parken statt auch umweltfreundliche Fortbewegung. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die fehlende Mitbestimmung bei der Bewältigung der sozial-ökologischen Krise, was zum Anstieg rechtsextremer Kräfte führe. Es brauche mehr Partizipation: Bürgerinnen- und Bürgerräte, vielfältige Dialogformate. Er ermutigte Kommunen, doch mit ihren Möglichkeiten positive Proberäume zu sein.

Noch mehr ins Tun kommen

Die 23 Mitgliedsinstitutionen und -organisationen des Nachhaltigkeitsbeirat aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigten sich anschließend in drei offenen Diskussionsrunden mit ihrer bisherigen Nachhaltigkeitsarbeit. Angesagt sei: ins Tun kommen, mehr Verantwortung übernehmen, vor allem mehr Menschen mitnehmen und dazu klar und verständlich kommunizieren. Dabei als Lernende auch über den kulturellen Tellerrand schauen und z.B. die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Partnerstädte kennenlernen. Insgesamt noch stärker auf Bildung setzen. Und die sozialen Nachhaltigkeitsthemen im Blick haben. Mit positiven Visionen arbeiten – oder einfach mal nach Kopenhagen fahren…

Zukunftsfähige Aktivitäten der Nachhaltigkeitsbeiratsinstitutionen

Gefragt, was denn die nächsten Schwerpunktaktivitäten der Mitglieder seien, wurde Folgendes präsentiert: Das Universitätsklinikum bringt grundlegende Nachhaltigkeitsanforderungen in die beginnenden Neubauplanungen ein. Das KUMAS Kompetenzzentrum Schwaben wird am 18.7.24 einen Thementag Nachhaltigkeit veranstalten. Die grüne Stadtratsfraktion wird auf Bildung für nachhaltige Entwicklung und politische Bildung setzen. Die Technische Hochschule hat eine Task Force Nachhaltigkeit direkt beim Präsidium eingerichtet und startet jetzt einen neuen Studiengang Nachhaltigkeitsmanagement. Der Stadtjugendring wird sein Partizipationskonzept und die entsprechende Angebot ausbauen, die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH ihr stark gewachsenes Angebot an Nachhaltigkeitsprojekten für Unternehmen weiter vorantreiben. Der Bund Naturschutz verstärkt seine Bildungsarbeit und Fridays for Future investiert weiter in Netzwerkarbeit, politisches Engagement und Wissensvermittlung. Insgesamt sollen die Zukunftsleitlinien – Augsburgs Nachhaltigkeitsziele – mehr Gewicht bekommen.

Augsburg als Modellstadt für Nachhaltigkeit?

Bei der Frage nach der zukünftigen Rolle der Nachhaltigkeitsbeirat waren erste Ideen: Gute Beispiele verbreiten, alle vier Nachhaltigkeitsdimensionen im Blick haben, die Mitgliedsinstitutionen stärker selbst verpflichten, Budgets und Schwerpunktsetzungen von der Politik einfordern, Konzepte ausarbeiten, sich über die Bedeutung des Beirats klar werden und dafür einstehen, notwendige Veränderungen darstellen und mutig kommunizieren. Und eine Vision: dass Augsburg Modellstadt für Nachhaltigkeit wird – ein herausforderndes, aber sehr lohnenswertes Ziel für die kommende Arbeit des Nachhaltigkeitsbeirats der Stadt Augsburg.

 

Nachhaltigkeitsbeirat Stadt Augsburg

Seit Juni 1997 verfügt Augsburg über einen Sachverständigenbeirat, der den Prozess der nachhaltigen Entwicklung Augsburgs maßgeblich begleitet. In ihm können bis zu 25 wichtige Institutionen oder Bürgerinnen und Bürger der Stadtgesellschaft vertreten sein - aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung.

Aktuell sind 24 Personen, die 22 Institutionen vertreten, als stimmberechtigte sowie 5 Stadträtinnen und Stadträte aus den fünf Stadtratsfraktionen als nicht-stimmberechtigte Mitglieder in den Beirat berufen. Seit 2019 sind auch die beiden von den Agendaforen gewählten Agendasprecherinnen und Agendasprecher Teil der stimmberechtigen Mitglieder.

Hieß er anfangs "Umweltbeirat", trug er anschließend die Bezeichnung "Agendabeirat - Sachverständigenbeirat für zukunftsfähige Entwicklung". Seit Oktober 2012 lautet seine offizielle Bezeichnung "Nachhaltigkeitsbeirat".

 

Funktionsweise und Aufgaben des Beirats

Der Beirat wird vom Stadtrat für jeweils 3 Jahre eingerichtet und seine Mitglieder berufen. Der Nachhaltigkeitsbeirat tritt in der Regel viermal jährlich zusammen. Den Vorsitz führen eine Person aus dem Kreis der stimmberechtigten Mitglieder sowie der Nachhaltigkeitsreferent der Stadt Augsburg gemeinsam. Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich. Die Geschäfte werden vom Büro für Nachhaltigkeit / Geschäftsstelle Lokale Agenda 21 geführt.

Der Nachhaltigkeitsbeirat berät die Politik und Verwaltung bei Nachhaltigkeitsthemen (siehe "Zukunftsleitlinien für Augsburg") und vermittelt diese in die eigenen Institutionen hinein. Er hat die Möglichkeit, direkt Anträge in Form von Empfehlungenan den Stadtrat zu richten.

Vertreterinnen und Vertreter des Nachhaltigkeitsbeirats wirken auch, gemeinsam mit Stadträtinnen und Stadträten, in der Jury des Augsburger Zukunftspreisesmit.  

 

Geschäftsordnung des Nachhaltigkeitsbeirats

 

Jubiläumssitzung anläßlich 75 Sitzungen

Am 23. April 2018 fand aus Anlass von 75 Sitzungen seit dem Start 1997 eine Jubiläumsveranstaltung mit Prof. Dr. Günther Bachmann, Generalsekratär des Rats für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, und Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl statt. Kurzbericht, die Rede Prof. Bachmanns und Impressionen finden Sie hier.

Ansprechpersonen

Büro für Nachhaltigkeit mit Geschäftsstelle Lokale Agenda 21, Stadt Augsburg

Dr. Norbert Stamm, Tel. 0821.324-7325 / n.n., Tel. 0821.324-7399

Leonhardsberg 15, 86150 Augsburg

nachhaltigkeitsbeirat@augsburg.de

 

Sitzungstermine Berufungsperiode 2022 bis 2024

 

103. Sitzung

Mittwoch, 23.10.2024, 18-20 Uhr
Ort: Umweltbildungszentrum (beim Botanischen Garten), Dr..-Ziegenspeck-Weg 6, 86161 Augsburg)
Themen werden noch bekanntgegeben
 

Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich.
Bei Online-Sitzungen melden Sie sich bitte im Büro für Nachhaltigkeit. Anmeldungen bitte an nachhaltigkeitsbeirat@augsburg.de bzw. Tel. 0821.324-7325 /-7399.