Augsburger Klimacamp

Preisträger Zukunftspreis 2021

Das Klimacamp in Augsburg macht seit dem 01.Juli 2020 auf den unzureichenden Klimaschutz in Augsburg aufmerksam, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Es werden Passantinnen und Passanten angesprochen und es wird gemeinsam diskutiert. Klimapolitische Aktivitäten finden nicht nur direkt neben dem Rathaus statt, sondern auch mit temporär eingerichteten Radwegen, Hochbeeten auf Parkplätzen, Lehrpfaden im Stadtwald und Baumhäusern.

Das Klimacamp wurde von Fridays for Future Augsburg (FFF) errichtet und ist das erste seiner Art – mittlerweile gibt es noch weitere Klimacamps in anderen Städten. Das Camp ist aber kein reines FFF-Camp, sondern auch andere Klimagerechtigkeitsaktivistinnen und -aktivisten diverser weiterer Initiativen wie Ende Gelände, Extinction Rebellion, Greenpeace, Grüne Jugend und Aja nehmen daran teil. Auch Einzelpersonen können sich anschließen.

Von der Augsburger Idee inspirierte Aktivistinnen und Aktivisten demonstrieren mittlerweile in 40 anderen Städten, darunter Hamburg, Nürnberg und München, in gleichartigen Camps.

Die Aktivistinnen und Aktivisten des Klimacamps in Augsburg fordern, dass die Stadtregierung ihren Gestaltungsspielraum vollumfänglich ausnutzt, um allen Bürgerinnen und Bürgern Augsburgs zu ermöglichen, klimafreundlich zu leben. Dazu gehören sowohl Investitionen in zukunftsfreundliche Infrastruktur, die jetzt Auslagen verlangen, aber in der Zukunft der Stadt eine hohe Rendite bringen würden, als auch Maßnahmen, die die Stadtkasse zu keinem Zeitpunkt belasten. Gefordert wird z. B. die Investition in erneuerbare Energien, eine Verkehrswende und die Einhaltung der 1,5 Grad Grenze. Die Stadtverwaltung soll Maßnahmen ergreifen, die Augsburg auf sozial gerechte Art und Weise auf einen pariskompatiblen CO2-Reduktionspfad bringen. Mit dem bisherigen Handeln der Stadt und den von der Stadt kommunizierten Zielen und Versprechungen gibt sich die Bewegung nicht zufrieden. Sie wollen weiterhin ihren Protest so lange wie notwendig fortsetzen und bekamen hierfür vom Verwaltungsgericht 2021 ihr Recht zugesprochen.

 

Laudatio der Oberbürgermeisterin Eva Weber

Sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, liebe Gäste!

Eine Idee ist nur dann eine gute Idee, wenn wir aus ihr auch eine Handlung machen. Das ist mühsam, das erfordert harte Arbeit. Dann wird aus einer Idee ein Erfolg. Denn gute Ideen waren zwar immer schon da. Sie waren immer schon die Wurzel guten, auch politischen Handelns. Sie waren aber auch schon Ursprung von nachhaltigen Konflikten, von Spaltung und Dissens. Erfolgreiches Handeln benötigt heute radikale Kompromisse. Es gibt nicht mehr schwarz/weiß, oben/unten. Die echte Welt ist unaufgeräumt – das war sie schon immer, nur wird uns das heute bewusster denn je. Der Augsburger Zukunftspreis, der heute verliehen wird, ehrt solche guten Ideen.

Horst Thieme hat ja bereits erwähnt, dass wir etwas von der üblichen Choreographie der Preisverleihung abweichen. Normalerweise würde an dieser Stelle Peter Rauscher stehen. Danke, dass du mir das Podium überlässt. Aber: Die Laudatio für den ersten Jurypreis halte ich heute ganz bewusst persönlich. Der Zukunftspreis der Stadt Augsburg und damit 1.000 Euro Preisgeld gehen – an das Klimacamp Augsburg. Herzlichen Glückwunsch. Sie gewinnen heute den Zukunftspreis. Und mir ist es sehr wichtig, dass ich Ihnen diesen Preis persönlich übergebe.

Ich möchte meiner Gratulation einige ehrliche Worte hinzufügen. Denn es gab in den vergangenen Wochen und Monaten viele harte Worte und konfrontative Kommunikation, auch konfrontatives Handeln. Von beiden Seiten. Klimaschutz ist DAS Thema unserer Zeit. In Augsburg haben wir das große Glück, dass sich viele Engagierte und Initiativen seit Jahrzehnten diesem Thema angenommen haben. Doch Klimaschutz ist keine bloße Haltung, erst recht keine Ideologie – er ist eine knallharte Aufgabe, die viel Arbeit und Gestaltung erfordert – von uns allen. Ich möchte den heutigen Tag deshalb nutzen, um einen Schritt auf Sie zuzugehen. Es geht um nichts anderes als die Zukunft unserer Welt, wie wir sie kennen.

Und hier liegt schon ein wenig die Krux. Wer den Status Quo erhalten will, muss alte Überzeugungen hinter sich lassen. Die Stadt der Zukunft ist eine Stadt der Chancen. Der Chancen für alle. Und für alle bin ich die Oberbürgermeisterin. Ich verhandle zwischen denen, die Auto fahren wollen oder müssen und denen, die das Auto ablehnen. Plumpes Verbieten ist nicht die Politik von heute. Politik von heute ist eine Management-Aufgabe. Und das bedeutet: Wir sollten uns ins Ermöglichen verlieben und nicht ins Verhindern. Was meine ich?

Ja, ich lehne beispielsweise eine Ihrer Forderungen nach einem kostenlosen ÖPNV ab. Unbequeme Antwort: Er ist nicht finanzierbar. Stand heute. Das ist die ehrliche Antwort. Und hier sind wir: Im Raum der Wirklichkeit. Denn meine Aufgabe als Oberbürgermeisterin und als Managerin dieser Stadt ist es – und das wird Sie vom Klimacamp nicht freuen - beim Klimaschutz über den Klimaschutz hinaus zu denken. Im Raum der Wirklichkeit geht es auch um die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte einer Stadt.

Denn diese Stadt steht wie ein Stuhl nur gesund auf diesen drei Beinen. Ökologie. Soziales. Und Ökonomie. Verbunden durch die kulturelle Dimension, die Bewusstsein, Werte, Vielfalt und Beteiligung beinhaltet. Und ja, ich verstehe, dass Sie aus Ihrer Position radikal nur ein Bein dieses Stuhls im Blick haben. Ich muss alle drei beachten, sonst kippt der Stuhl und damit unsere Stadtgesellschaft. Also, um den Klimaschutz in Augsburg voranzutreiben, müssen wir radikale Kompromisse schmieden – nur so kommen wir raus aus der Blockade – raus aus der Verhinderung.

Blue City Augsburg ist mein radikaler Kompromiss für nicht-radikalen Klimaschutz. Dabei geht es darum, die Themen Klima, Ressourcen, Technologie, Infrastruktur und Energie zu vernetzen. Es geht darum, dass wir die Klimakrise nicht losgelöst von anderen aktuellen Herausforderungen betrachten können. Und es geht darum, dieses Bewusstsein bei den Augsburgerinnen und Augsburgern zu verankern. Blue City steht für eine klimafreundliche Metropole, in der der nachhaltige Umgang mit und die Nutzung von Energie und Ressourcen unser Wohlergehen, unser Zusammenleben und unser Wirtschaften sichert.

Und verstehen Sie mich nicht falsch - ich sehe Ihre Rolle, die sich nicht innerhalb des Systems bewegt. Auch wenn ich sie persönlich nicht gutheiße. Ihre Rolle in einem System, in dem wir oft mühsam detailreiche Arbeit machen müssen, die nach außen schwer verständlich ist. Ich sehe Ihre Vorhaltung, wir, die Politik, hätten nicht alles getan, was in unserer Macht stünde. Aber es geht nicht um Machtausübung. Es geht darum, zu machen, was möglich ist. Ich akzeptiere, dass Sie keine Kompromisse machen. Kompromisse sind meine Aufgabe.

Was ich aber – und das sage ich in aller für Sie vielleicht schmerzhaften Offenheit – nicht akzeptieren kann und will: Dass Sie für sich in Anspruch nehmen, Lösungen für ein Problem zu kennen, sich aber weigern, sich ganz konkret dort einzubringen, wo diese Lösungen gebraucht, Entscheidungen getroffen und Weichen gestellt werden. Wir brauchen durchaus radikale Ideen, die den Finger in die Wunde legen und als Impulsgeber fungieren. Aber dann müssen wir auch an den Ideen arbeiten dürfen.

Ich lade Sie deshalb ein, mutig zu sein.

Sie werden nun sagen: Wir sind mutig! Wir seilen uns von hohen Gebäuden ab, um unsere Botschaften zu vermitteln. Wir harren bei Minusgraden im Camp aus. Das aber zeugt nicht von Mut. Denn Mut braucht, um mit Erich Kästner zu sprechen, nicht die Faust allein, sondern den Kopf dazu. Sich abzuseilen: das ist wagemutig. Im Camp auszuharren: das zeugt von Durchhaltevermögen.

Aber wissen Sie, was am mutigsten wäre?

Mutig wäre, mit mir gemeinsam in den Raum der Wirklichkeit zu gehen. Sich den Zu-Mut-ungen politischer und gesellschaftlicher Realitäten zu stellen. Vielleicht wird das nicht passieren. Vielleicht werden Sie diesen Teil des Preises ablehnen. Vielleicht werden Sie alles verneinen und konterkarieren, was ich heute gesagt habe. Gleichzeitig wiederhole ich mich: Das führt nur zu Verwerfung und Konflikt und zur Verharrung im Stillstand.

Ich lade Sie ein, gestalten Sie mit mir die Zukunft. Verhandeln wir. Gehen wir gemeinsam für das große Ganze. Und das im Raum der Wirklichkeit unserer Stadt.

Ich mache es ganz konkret: Ich lade Sie hiermit offiziell ein, liebe Aktivistinnen und Aktivisten des Klimacamps, mit mir an einem gemeinsamen Tisch Platz zu nehmen:
• Ich mache einen direkten Abgleich zwischen den fünf Forderungen des Klimacamps und dem, was aktuell Realität ist.
• Sie stellen uns Ihren Plan vor, wie Sie diese radikalen Forderungen umsetzen würden.
• Ich übersetze diese Vorschläge in Lebensrealitäten und ins Machbare.
• Und dann steigen wir gemeinsam in den Ring und fechten radikale Kompromisse aus: Auf der Blue City Klimakonferenz im Dezember diesen Jahres. Und zwar live, persönlich, Face-to-Face. Mein Ziel ist klar: Augsburg soll zur klimafreundlichsten Metropole Bayerns werden. Dieses Ziel mit aller Kraft zu verfolgen, ist mein Wunsch und mein Angebot.

Tausend Euro. Und der Zukunftspreis der Stadt Augsburg. Aber vor allem meine Einladung an Sie: Verlassen wir die Parolen, kommen wir gemeinsam bis ins Kleingedruckte. Kommen wir gemeinsam ins Machen. Augsburg wird die klimafreundlichste Metropole Bayerns. Und am liebsten gemeinsam mit Ihnen. Herzlichen Glückwunsch zum Zukunftspreis der Stadt Augsburg!

Themen: CO2-Einsparung, Engagement, Jugend, nachhaltiges Wirtschaften, BNE Bildung für nachhaltige Entwicklung