Architektur. Im Kreis

Preisträger Zukunftspreis 2023

Zukunftspreis für nachhaltiges Wirtschaften

Das Pilotprojekt „Architektur. Im Kreis“ ist eine Kollaboration zwischen dem Staatlichen Bauamt Augsburg, der Hochschule Augsburg und Concular (deutsche Plattform und professionelle Börse für gebrauchte Bauteile).

Die alte Augsburger Stadtbücherei, die dem Neubau an der Prinzregentenstraße/ Ecke Gutenbergstraße weichen musste, wurde nicht einfach abgebrochen. Bauschutt nicht einfach auf die Deponie gefahren. Gemeinsam wurde das Experiment gewagt, den Bauteilen der Bücherei – im besten Fall – komplett ein zweites Leben zu schenken. Wiederverwendbare Bauteile wurden vermessen, digital erfasst, katalogisiert und online zum Verkauf angeboten.

Dadurch konnten 78 % der angebotenen Bauteile verkauft und weiterverwendet werden. Etwa 290 Bauteile landeten somit nicht auf der Deponie, der Bauschutt wurde erheblich reduziert. Es konnten rund 20 Tonnen CO2 eingespart werden. Mit diesem beispielhaften Vorgehen wurden bei der Öffentlichen Hand bereits viele Nachahmer gefunden.

Das Projekt wirkt auf mehreren Ebenen nachhaltig: Am Projekt beteiligte Studierende der Architektur konnten Materialkreisläufe erschließen und erstmals mit wiederverwendbaren Bauteilen einen Entwurf erstellen. Interessierte haben Bauteile aus dem Abbruchgebäude erworben, weiterverwendet und somit einen Beitrag zum Klimaschutz geleitstet. Aufgrund sehr hoher Medienresonanz konnte auf das Innovationspotenzial des Zirkulären Bauens europaweit aufmerksam gemacht werden.

Auch materiell und wirtschaftlich gesehen hat diese Vorgehensweise hohes Potential. Die Kosten für den Abbruch wurden erheblich reduziert, da viele Bauteile dem zirkulären Wertesystem zugeführt wurden. Durch Müllreduzierung wurde ein großer Beitrag zum Klimaschutz geleistet und erheblich Steuergelder gespart.

Mit diesem Projekt konnte gezeigt werden, dass eine Systemveränderung im Bau hinsichtlich Klimaschutz und Ressourcenschonung möglich ist. Kurz vor Abbruch des Gebäudes wurde im Rahmen des Augsburger Friedensfestes zusammen mit Augsburger Bürgerinnen und Bürgern, von der Baustelle betroffenen Benachbarten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bücherei, der Staatsbibliothek, des Bauamts und den Studierenden der Hochschule das Projekt gemeinsam gefeiert und unter dem Motto „Zusammen gegen Verschwendung“ als sozialer Akt zelebriert.

Damit konnte gezeigt werden, dass Zusammenhalt ansteckend ist. Das Recycling-Pilotprojekt der Augsburger Stadtbücherei macht Schule und ist mittlerweile bis Berlin und Hamburg als „Augsburger Pilotprojekt“ bekannt.

Begründung der Jury Zukunftspreis

Fast 40 % der globalen CO2-Emissionen entstehen im Bau- und Gebäudesektor. Jedes Bauteil, das wiederverwendet wird, spart Energie und Ressourcen ein, die sonst für die Herstellung und Transport verbraucht werden. Hier eine Änderung im System zu erwirken, ist mehr als ein dickes Brett. Und dafür braucht es mutige Leuchtturm-Projekte wie „Architektur im Kreis“, die zeigen, dass ein neues Herangehen an eingespielte Abläufe, wie hier den Rückbau eines staatlichen Gebäudes, viele Vorteile hat. Ein Ausprobieren, das beweist, dass sich Aufwand lohnen kann. Die Bauteile im Bestand der Stadtbücherei zu katalogisieren, ist die Investition, die nötig war, um die Waschbecken, Heizkörper, Türen und Geländer auch zugänglich zu machen – nicht nur Bauträgern oder Architekten, sondern auch Bürgern und Privatpersonen. So wurden nicht nur die Studierenden der Technischen Hochschule eingebunden, sondern auch die Stadtgesellschaft – mit dem Höhepunkt „Abrissparty“. Ein Punkt, der wirtschaftlich nicht zu unterschätzen ist: Die Entsorgung von Müll, besonders Bauschutt, kostet. Hier wird nicht nur Müll vermieden, sondern es werden eben auch die Entsorgungskosten mit den Einnahmen durch den Verkauf gegenübergestellt.

„Architektur im Kreis“ überzeugt mit seiner Strahlkraft über die Regionsgrenzen hinaus, mit dem Aspekt der Teilhabe vieler Akteure an einem großen Projekt, mit dem Aufbrechen etablierter Geschäftsmodelle, mit den messbaren Auswirkungen auf Umwelt und CO2-Emissionen, mit der Vermeidung von Müll und der Weiterverwendung noch brauchbarer Ressourcen, mit dem digitalen Ansatz, ein Objekt in seinen Teilen zu erfassen und erwerbbar zu machen. Damit kann das Gesamtkonzept „Architektur im Kreis“ in den unterschiedlichen Bereichen der Nachhaltigkeit wirken und das macht es auch so umfänglich vorbildlich: Alles wurde berücksichtigt – ökonomische, ökologische, soziale Aspekte gleichermaßen.

Stefanie Haug, Nachhaltigkeitsbeirätin, Leitung Geschäftsfeld Nachhaltiges Wirtschaften, Regio Augsburg Wirtschaft GmbH

Themen: Bauen, Hochschule/Universität, Recycling, nachhaltiges Wirtschaften