Leerstände in Augsburg nutzen, pflegen und für Kultur zugänglich machen: raumpflegekultur e.V.

Preisträger Zukunftspreis 2017

Der 2015 gegründete Kulturverein raumpflegekultur e.V. nutzt Leerstände in der Stadt, um diesen ein neues kulturelles Leben einzuhauchen. Die Räume "die metzgerei" und "Provino Club" sind so belebt worden.

Bei ersterem handelt es sich um eine kleine Galerie in der Haunstetter Straße 23. Der Name "die metzgerei" zeugt davon, dass es sich um den Verkaufsraum inklusive Kühlung einer 1929 gebauten Metzgerei handelt. Heute stellen in dem Raum angehende Künstler aus. Dies wird meist mit kulturellen Aktivitäten (Singer-Songwriter-Auftritte, Lesungen, Diskussionen und Theaterstücke) verbunden. Viele angehende Musiker aus der Augsburger Szene debütierten in dem gekachelten Raum, der immer wieder für seine Akustik gelobt wird. Ein schönes Beispiel für den Wert dieses Projektes zeigt sich ganz aktuell mit der Siegerin des „Band des Jahres“-Wettbewerbes der Stadt Augsburg. "Hannah and the neighbours" hatte nach einem Auftritt derart Gefallen an dem kleinen Raum gefunden, dass das Artwork ihres Internetauftritts in dem kleinen Raum entstand. Nach der ursprünglichen Nutzung stand der Raum für circa 25 Jahre leer und verfiel – heute ist den meisten Augsburgerinnen und Augsburgern "die metzgerei" ein Begriff für einen Kulturort mit Wohnzimmeratmosphäre.

Der quasi große Bruder der kleinen Galerie heißt "Provino Club". Hier handelt es sich um ein 2000 qm großes altes Gasthaus im Textilviertel. In einem Bericht aus der Neuen Szene wurde das Gelände grob als gestrandeter Wal aus einer anderen Zeit bezeichnet. Streift man durch die Räume, wird der Vergleich deutlich: Altes Holzparkett, Holzvertäfelungen,  Holzverglasungen, Tapeten und nicht zuletzt sechs vollautomatische Holzkegelbahnen aus den geschätzt 60er bis 70er Jahren zeugen von mehr als einem Jahrhundert Wirtshauskultur. Heute wurden hier in allen Nischen und Ecken Ateliers, Bandprobenräume, Werkstätten, Gartengestalter- und Lagerräume eingerichtet. Eine Kneipe mit kleiner Bühne und die Kegelbahnen mit großer Bühne sowie der Biergarten draußen runden den Ort zu einem kompletten, alternativen, selbstorganisierten Kulturzentrum ab. In diesem "melting pot" aus KünstlerInnen, MusikerInnen, BastlerInnen und VeranstalterInnen sind einige Formate entstanden. die nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken sind – darunter der Provino-Flohmarkt, Konzerte, Videosessions (siehe youtube: Die Augsburger Kegelbahnkonzerte), Lesungen, Theater und nicht zuletzt auch die Kneipen- und Biergartenatmosphäre. Mit Stadt und Kulturinstitutionen wird ständig kooperiert, zuletzt zu sehen beim Brechtfestival (Die lange Brechtnacht und das Hamburger Theaterensemble "GAP"). In naher Zukunft wird der Provino Club sogar Drehort für den neuen Kinofilm "Trautmann" von Marcus H. Rosenmüller.

Bemerkenswert ist, dass all dies in ehrenamtlicher Leistung von den circa 100 Vereinsmitgliedern gestemmt wird, ohne Förderung in Anspruch zu nehmen. Der Verein ist das Ergebnis einer kulturellen Bewegung von unten.

Begründung der Jury Zukunftspreis
Der Kulturverein hat sich 2015 gegründet und betreibt seitdem u.a. den Provino Club im Textilviertel, das ehemalige „Turamichele“. Das Gebäude stand leer und die Kegelbahnen waren alle noch vorhanden. Was also lag näher als den Leerstand zu nutzen und gleichzeitig ein niedrigschwelliges Kulturangebot für Junge und Junggebliebene zu installieren. Inzwischen nimmt der Provino Club am Brechtfestival teil, bereits legendär sind die Kegelbahnkonzerte und die Partys an jedem Mittwoch-Abend. Im Sommer trifft man sich im „Wir-Garten“, der auch mehrere Beete als „Urban Gardening“ bepflanzt hat. Ein weiterer Leerstand war die „metzgerei“ in der Haunstetter Straße, hier wurde eine kleine Galerie eingerichtet, das besondere Ambiente gefliester Wände und des Kühl-raums eignet sich tatsächlich auch für Lesungen, Diskussionen und kleine Konzerte. Der Verein Raumpflegekultur hat über 100 Mitglieder, die ehrenamtlich anpacken, die Räumlichkeiten herrichten und bespielen und die somit das Herz des Vereins sind. Alles in allem eine einmalige Kombination aus Leerstandsmanagement, großer und kleiner Kultur und Gartenarbeit.

Gabriele Thoma, Stadträtin

Themen: Kultur, Kunst, Kreativität, Theater, Musik, Textilviertel