Flüchtlingen den Weg in die Augsburger Gesellschaft ebnen

Preisträger Zukunftspreis 2017

2015 haben sich rund 160 Menschen spontan und eigenverantwortlich als Flüchtlingslotsen zu 13 stadtteilbezogenen Helferkreisen in Augsburg zusammengeschlossen, koordiniert durch das Freiwilligenzentrum Augsburg. Gemeinsam stehen sie etwa 1.100 Geflüchteten seit deren Ankunft für eine neue Zukunft helfend zur Seite und engagieren sich dauerhaft. Darüber hinaus finden monatliche Koordinationstreffen im Freiwilligenzentrum statt, bei denen sich die Helferkreise untereinander und mit Vertretern der Stadt und anderer Behörden austauschen und sich untereinander vernetzen können.

Die Ankunft von mehr als einer Million Flüchtlingen 2015 hat Deutschland verändert – und Deutschland hat die Menschen verändert. Mit der überwältigenden Hilfsbereitschaft, die deutschlandweit an den Tag gelegt wurde, begann das Bild des unaufgeschlossenen Deutschlands langsam zu bröckeln und sich zu wandeln – ein neuer Weg mit einer wachsenden Willkommenskultur. Die vielen Ehrenamtlichen und Freiwilligen sind eine tragende Säule, ohne die der Staat sowie die einzelnen Kommunen fast kollabiert wären. Mit ihrem Tun und Handeln trugen sie auch hier in Augsburg wesentlich dazu bei, dass die Erstversorgung und Unterbringung der Geflüchteten funktioniert hat, und sie zeigten, dass sich auch hier unabhängig vom Staat eine gelebte und von der Zivilgesellschaft getragenen Willkommenskultur manifestiert und etabliert hat.

Die 160 Augsburger Flüchtlingslotsen kümmerten sich anfangs neben der Erstversorgung primär um Sprachkurse, Kleiderspenden und gemeinsame Freizeitaktivitäten. Zudem unterstützten die Lotsen die Geflüchteten bei Behördengängen, der Wohnungssuche, bei Arztbesuchen oder bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Lebenspraktische Dinge wie Lüften im Winter, Mülltrennung und die Bestandteile der Stromrechnung wurden erklärt. Unterstützung wurde geleistet bei der Vermittlung von Kindergartenplätzen, bei Schulanmeldungen, beim Eintritt in Sportvereinen, durch Hausaufgabenbetreuung und vielem mehr. Vor allem haben die Lotsen vielfach die psychosoziale Betreuung übernommen und standen bei Schicksalsschlägen und glücklichen Momenten zur Seite. So übernehmen sie in vielerlei Hinsicht Aufgaben und Leistungen, die vom Staat nicht geleistet werden können und tragen damit wesentlich dazu bei, dass den Menschen, die seit 2015 als Flüchtlinge nach Augsburg gekommen sind, Teilhabe und Integration in der Stadt ermöglicht wird.

Ziel ist es, Geflüchtete in ein eigenständiges Leben zu begleiten und einen Austausch zu ermöglichen und damit ein gelebtes Miteinander und Nachbarschaft zu gestalten. Die Helferkreise leisten durch ihr eigenverantwortliches und in vielerlei Hinsicht spontanes und kreatives Handeln einen entscheidenden Beitrag zum Gemeinwohl und helfen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken sowie Toleranz zu fördern. Es geht darum, Leben zu teilen, den Alltag gemeinsam zu gestalten, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Über das gemeinsame Leben und miteinander wohnen werden Fremde zu Freunden.

Begründung der Jury Zukunftspreis
Es ist mir eine ganz besondere Ehre und Freude, diese Preisträger vorzustellen: In den vergangenen zwei Jahren, jetzt, in diesem Augenblick, und gewiss auch noch in Zukunft, sind sie – aus meiner Sicht – als eine ganz besondere Art „Ehrenbürger unserer Stadt“ tätig: unsere Helferkreise! Weitgehend unbemerkt von einem großen Teil unserer Bevölkerung haben sich da seit Herbst 2015 inzwischen etwa 200 Ehrenamtliche und Freiwillige spontan zusammengefunden, um weit über 1.000 Flüchtlingen vielfältig als mitmenschliche Lotsen in den neuen, so ungewohnten Alltag hinein zu helfen. Stadtteilbezogen koordiniert unser Freiwilligenzentrum die Helfer in 13 Helferkreisen, die auch monatlich Erfahrungen und hilfreiche Kontakte austauschen. So vieles an unseren Lebensgewohnheiten, Regeln und Vorstellungen ist für die Flüchtlinge neu und oft unverständlich. Begleitung bei Behördenkontakten, Einkauf und Arztbesuchen, Vermittlung von Sprachkursen, Einschulungen von Kindern und oft auch Trost spenden prägen das Tun dieser bewundernswerten Zukunftspreisträger.

Hellmut Steffens, Nachhaltigkeitsbeirat

Themen: Integration, Migration, Asyl, Teilhabe, Zusammenleben, Engagement